Brief an meine Süchte

Erfahrungsbericht von Marcus

Brief in der Therapie an meine Süchte

Hallo meine Süchte!

Ihr habt mich über 30 Jahre in verschiedenster Form immer wieder heimgesucht.

In jungen Jahren als Alkohol und im Hasch, auch in Verbindung mit Tabletten und Koks. Da konnte ich aus eigener Kraft euch entkommen. Ich hatte auch Unterstützung durch meine Familie. Sie gab mir die Kraft, euch zu widerstehen.

Doch die Spielsucht erkannte ich nicht als Sucht. Dabei hast Du mich die längste Zeit begleitet. Du hast mir über die Jahre, sogar Jahrzehnte, geholfen. Warst für mich da, wenn mir alles zu viel wurde und ich nicht wusste, wohin ich gehen soll mit meinen Sorgen, Ängsten und Problemen. Als ich bei Dir war, gabs die nicht. Da gab es nur Dich und mich, doch Du warst teuer und hinterher waren noch mehr Sorgen, Ängste und Probleme da.

Doch ich konnte ja wieder zu Dir. Du hast mich ja das alles vergessen lassen. Bei Dir gings mir gut.

Doch irgendwann gings mir bei Dir auch nicht mehr gut. Ich fühlte mich von Dir betrogen. Doch Du hast es mich in Deiner Gegenwart vergessen lassen. Ich konnte alles, in der Zeit wo ich bei Dir war, vergessen; hatte keine Sorgen, Ängste und Probleme. Da war alles o.k.. Ich fühlte mich wohl. Doch Du wolltest mehr als nur mein Geld von mir. Du wolltest meine Gefühle.

Ich habe sie für Dich aufgegeben. Doch Du hast mich immer mehr enttäuscht. Es ging mir bei Dir nicht immer gut. Dann ging ich zu Deinem besten Freund, dem Alkohol. Er kannte mich noch und tröstete mich. Er half mir, wenn Du mich zu sehr enttäuscht und ausgenommen hast. Wenn Du mich nicht mehr aufbauen oder trösten konntest. Er tat es! Ich war am überlegen, ob ich ihn nehme statt Dich. Ich war zwischen Dir und ihm hin- und hergerissen. Manchmal ging ich gleich zu ihm. Er nahm mich nicht so aus wie Du. Doch ging ich lieber zu Dir. Du kanntest mich besser, sogar besser als ich mich selbst.

Ich wollte nur noch bei Dir sein, doch irgendwie auch nicht. Du triebst mich zur Verzweiflung. Vielleicht in den Wahnsinn; rafftest nach meinem Leben. Ja, Du wolltest mein Leben!

Ich war am überlegen, ob ich`s Dir gebe, oder aufgebe für Dich, oder wegen Dir. Doch mein Leben ist mir zu wertvoll, dass ich es für Dich aufgebe.

Und Gott sei Dank habe ich den Mut in mir entdeckt und mir Hilfe gesucht, um Dir und deinen Kumpanen endgültig zu entkommen. – Und dem Tod.

 

Dein Marcus

 

PS: Du hast mich besiegt!

PPS: Ich hoffe, dass ich mein Leben zurückbekomme – und zu leben lerne.   

 

Komm wieder, es funktioniert!

 

Ich habe diesen Brief an meine Süchte am 21.06.2014 geschrieben. Im festen Glauben daran, dass ich nicht mehr spielen werde. Doch als ich dann aus der Therapie wieder zu Hause war, wartete der Spielautomat in Lauerstellung, obwohl ich weiter in die GA-Gruppe ging, wo ich schon seit Juni 2013 hinging und dann in Therapie nach Münzesheim; und dort auch diesen Brief schrieb.

Ich durfte noch einige Rückschläge (Rückfälle) – für mich Lehrgänge – durchmachen. Lehrgänge für mich, da ich bei jedem Rückfall für mich gelernt habe, dass ich nicht Spielen kann!

Ich bin dankbar, dass ich trotz allem immer und immer wieder den Weg in die GA-Gruppe gefunden habe und immer wieder, ohne Wenn und Aber aufgefangen und ohne Vorwürfe wiederkommen durfte.

Ich weiß noch im ersten Meeting, als am Schluss das Gelassenheitsgebet und der Satz: „Komm wieder, es funktioniert!“ gesprochen wurde. Dieser Satz hat mich immer wieder in die Gruppe gebracht.

 

„Komm wieder, es funktioniert!“

 

Es hat auch bei mir funktioniert! Bin jetzt seit dem 23.01.2018 spielfrei. 

Ich hoffe, dass auch du so bleibst. Immer für Heute, den einen Tag.

Wenn ich abends im Bett zu mir sage: „Es war ein guter Tag. Ich habe nicht gespielt.“

Egal, wie beschissen der Tag war, es war ein guter Tag, da ich nicht Spielen musste!

 

Gute 24 Stunden euch allen, einen Tag zur Zeit.

Marcus