Das Leben gibt mir wieder einen richtigen Sinn
Lebensbericht von Bernd
Ich bin Bernd und süchtiger Spieler. Mit Unterbrechungen habe ich ca. 10 Jahre gespielt. Seit September 2008 bin ich in der Offenburger GA Gruppe. Bis Herbst 2011 bin ich nahezu jeden Montag in die Gruppensitzung gegangen. Ich hatte bemerkt, dass ich dies benötige, um zu mir selbst zurück zu finden, Inventur zu machen und zu entdecken wohin mein Weg gehen soll. In der Gruppe kann ich vorbehaltlos alles auf den Tisch legen was mich bewegt und finde immer ein offenes Ohr. Hier erhalte ich keine Vorwürfe oder Anfeindungen, wir sind unter Gleichen und deshalb verstehen die anderen mich auch mit meinen Ängsten und Nöten. Jeder von uns hat seinen Leidensweg hinter sich. Auch bei mir gab es einige Rückschläge und Spielrückfälle. Seit Dezember 2011 bin ich nun geschieden. Endlich, nach schier endlosen 10 Jahren des hin und her. Was hat mich zum Spielen gebracht? Am Anfang sicher das Neue und der Nervenkitzel. Später das Wissen beim Spielen die Sorgen um und die Verletzungen in der Ehe und meine Hilflosigkeit hinter mir lassen zu können. Doch die Schuld am Spielen trage letztendlich ich alleine, denn es hat mich niemand gezwungen spielen zu gehen, das war mein freier Wille. Nun bin ich seit Ende Juli 2010 spielfrei.
Auch für mich hat es eine lange Zeit gegeben, da war das Spielen mein Tagesinhalt. Alles andere hatte zurück zu stehen, meine Familie, meine Freunde und zum Schluss sogar meine Arbeit. Obwohl mir gerade meine Arbeit immer noch einen gewissen Halt gab, da ich recht gut durch sie verdiente und ich es irgendwie immer hin bekam, das ich finanziell einigermaßen über die Runden kam. Bis ich 2008 komplett die Kontrolle über mein Spielen verlor. Da stand ich nun, € 60.000 Schulden, die Bank hat mir die Pistole auf die Brust gesetzt, weil ich bei meinen privaten Kontoumbuchungen geschummelt hatte und der Spielteufel rief wieder "Das holst du doch zurück, geh nur schnell hin zu deinem Großen Spiel ins Roulette".
Ich widerstand, doch nach einigen Tagen ging ich wieder hin, sah keinen anderen Weg. An diesem Tag musste ich noch zu einem Kunden nach Bayern fahren, zu einem Termin am nächsten Tag. Doch vorher noch schnell gewinnen. Ich blieb bis um 2 Uhr morgens, bis das Casino Baden-Baden schloss - und hatte wieder € 1.000 verloren. Ging dann auf die Autobahn und musste noch 330 km fahren, um ins Hotel zu kommen. Auf der Autobahn passierte es dann. Es fühlte sich alles so leicht an, die Bahn war leer und ich beschleunigte auf über Tempo 200 und raste dahin. Eine Kurve näherte sich und ich dachte: "Du brauchst jetzt nur auf dem Gas zu bleiben, das Lenkrad los zu lassen und alles weitere erledigt der Brückenpfeiler da vorne in der Kurve für dich". Sollte es das gewesen sein? Ich hatte die letzten Jahre so viel gelogen, betrogen, Zeit und Geld verloren und das Vertrauen verspielt, das meine Freunde und meine Familie in mich gesetzt hatten. Nein, sagte ich mir im letzten Augenblick, das war es nicht, ich will mich ändern und weiterleben, es muss noch etwas besseres in meinem Leben geben, als das sinnlose Spielen.
Ich kam um 6 Uhr morgens im Hotel an, legte mich 3 Stunden hin, wälzte mich unruhig in meinem Schweiß hin und her, die Roulette Zahlen flogen nur so durch meinen Kopf. Hättest du lieber auf die eine Zahl gesetzt, dann hättest du gewonnen! An diesem Tag entschloss ich mich zu einer Beratung bei der Suchtstelle nach Karlsruhe zu gehen, den Anlauf dazu hatte ich schon mehrmals unternommen, doch immer wieder verschoben. Ich wurde dort freundlich aufgenommen, konnte meine Sorgen schildern und bekam den Tipp in die Offenburger Gruppe zu gehen und nahm Kontakt zu einem Mitglied dieser Gruppe auf. Ich bin mir selbst dankbar, dass ich diesen Schritt getan habe, mein Leiden so groß geworden war, dass ich den Schritt wollte und mir nur noch ein anderes, besseres Leben wünschte. Heute liebe ich mich wieder, lache mich im Spiegel an, weiß was ich wert bin und freue mich auf jeden neuen Tag. Klar, der kleine "Spielteufel" in mir meldet sich dann und wann und möchte mich wieder verführen. Doch dann erinnere ich mich an die schlechte Zeit die ich nicht mehr haben will, suche ich mir eine Beschäftigung, mache die Dinge die mir wichtig sind und widerstehe dem "Spielteufel". Für mich ist es auch wichtig, dass ich weiß, dass ich spielsüchtig bin und immer eine gewisse Gefahr da ist rückfällig zu werden, denn - einmal spielsüchtig, immer spielsüchtig. Doch es gibt einen Weg daraus, wenn du es nur wirklich willst. Heute gehe ich nicht mehr so oft zur GA Gruppe. Doch ich weiß, dass ich jederzeit dort hin gehen kann und auch meine Freunde per Telefon erreiche, wenn ich reden möchte oder reden muss, wenn ich Spieldruck verspüre.
Gute 24 Stunden. Ja, das ist auch das, was ich heute lebe. Grundlegende Dinge muss ich schon länger planen, doch das Leben an sich findet für mich in den 24 Stunden statt. Was war kann ich nicht mehr zurück holen. Ich werde noch einige Jahre an meinen Schulden zu zahlen haben, doch ich brauche mich nicht mehr um das Morgen zu sorgen, weiß ich doch heute noch nicht, was da auf mich zukommt. Ich habe aufgehört zu kämpfen, ich akzeptiere, dass ich machtlos bin. Ich gebe mich in dem Bewusstsein in die Hand einer höheren Macht, dass ich von dort Hilfe erhalte und diese mich führt, wenn ich es aufrichtig will. Ich kann genesen und bin es schon ein sehr gutes Stück weit, das Leben gibt mir wieder einen richtigen Sinn und eine neue Liebe habe ich auch gefunden. Ich will nie wieder so sein wie in dem Leben als ich ein exzessiver Spieler war, abfällig belächelt von den Beschäftigten der Spielbanken, abhängig vom Wohlwollen der Banken und mit geringem Selbstwertgefühl.
Ich wünsche euch allen das Gelingen eurer Ziele, bleibt dran!
Gute 24 Stunden,
Bernd